Haushaltsrede von Bündnis 90/Die Grünen 05.12.2016, Uta Golderer
- Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Hager, sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Büscher, sehr geehrte Bürgermeisterinnen Schüssler und Müller, geschätzte KollgeInnen und Mitarbeiter der Verwaltung, sehr geehrte Zuhörer,
Beim Durcharbeiten unserer Haushaltssatzung 2017/18 fiel diesmal auf –mehr noch als sonst-, dass der Spielraum für kreatives Gestalten in den Beratungen der nächsten Tage praktisch ganz verschwunden ist. Zwar steht er mit wieder knapp 1300 Seiten seinen Vorgängern an Papier in nichts nach, doch ist zwischen den Deckeln unsere finanzielle Misere deutlich sichtbar. Jeder Teilhaushalt – bis auf einen, aber dazu später- ist ausgepresst wie eine Zitrone und im Stellenplan sieht es nicht besser aus.
Wie Sie Herr Oberbürgermeister in Ihrer Haushaltsrede und auch meine Vorredner schon ausführlich dargelegt haben, liegt unser Hauptproblem an der Bund-Länderfinanzierung der Kommunen und solange sich hier die Gesetzgebung nicht gravierend ändert, kann uns auch keine Haushaltsstrukturkommission der Welt retten. Wie gut, dass uns wenigstens das Land unter unserem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann 16,9 Millionen mehr als erwartet für die nächsten zwei Jahre zuweist. Es wäre schön, wenn wir das Geld jetzt für unsere Stadt auf den Kopf hauen könnten, aber leider verringern die Beträge hauptsächlich nur die Nettokreditaufnahme.
Wo also Schwerpunkte setzen? Für uns als Gruppierung von Bündnis 90/Die Grünen sind uns alle Arten von Investitionen in Bildung wichtig, sei es bei Schulen, Familienzentren oder bei den eklatant fehlenden Kita- und Kindergartenplätzen. Wir müssen Geld in die Hand nehmen, um unseren Kindern die bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen. Mit jedem gut ausgebildeten Menschen, der Teil des Arbeitsmarktes wird, rechnet sich diese Investition. Deshalb fordern wir eine weitestgehende Rücknahme der Kürzungen, die in diesem Bereich im Rahmen der Haushaltskonsolidierung beschlossen wurden. Seien es die Kürzungen der Familienzentren, des Stadtjugendringes und bei dem Sachkostenbudgets der Schulen. Für uns sind in diesem Zusammenhang auch Streichungen in einem schon jetzt mickrigen Sportetat nicht hinnehmbar.
Und wo wir gerade von Jugend sprechen: sicherlich ist die CDU gerne bereit künftig die Finanzierung des Jugendgemeinderates zu übernehmen.
Richtig ist, dass geschaut werden muss, wie alle einen Beitrag in unserer schwierigen Lage leisten können. Richtig ist aber auch, dass Kürzungen in diesem Bereich langfristige Probleme schaffen, die zu viel höheren Folgekosten führen würden, als das sie Streichungen rechtfertigen würden.
Arbeit, Wohnen und Bildung sind und bleiben die Grundpfeiler einer guten und nachhaltigen Sozialpolitik, damit niemand auf der Strecke bleibt.
Eine Stadt wie Pforzheim mit schwierigen sozialen Problemlagen in den verschiedensten Stadtteilen wird durch sozial- und kulturstrukturelle Einschnitte in der Attraktivität einerseits auch nicht durch eine Eierlegende Wollmilchsau namens ,,Innenstadtentwicklung Ost“ andererseits gut.
Und damit kommen wir zu dem Teilhaushalt in dem die großen Beträge stehen, bei denen durchaus noch Gestaltungsspielraum vorhanden ist. Eine Stadt, die wächst und die für ihre Einwohner attraktiv bleiben will, muss natürlich investieren. Aber nicht umsonst steht in unserem Haushalt der Satz: „sämtliche Investitionen müssen kritisch gesehen werden.“. Das wollen wir von Bündnis 90/Die Grünen gerne erst nehmen. Rechnet man die Gesamtausgaben im dafür vorgesehenen Finanzhaushalt zusammen, kommt man auf den Betrag lediglich für den Umbau der Infrastruktur von ungefähr 40 Millionen Euro. Dies in einer Stadt, die es zur Zeit kaum schafft, ihre vorhandenen Strukturen zu erhalten und ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Dazu kommt noch der Abriß eines unter Denkmalschutz stehenden technischen Rathauses. Ich frage nochmal: Können wir uns in einer Stadt mit einer tendenziell eher gesichtslosen Architektur diesen Umgang mit einem zurecht als schützenswert eingestuften Kulturdenkmal der 50-er Jahren leisten?
Innenstadtentwicklung Ost heißt auch, dass wir eine Fläche von 10.000 qm, einem Filetstück im Herzen unserer Stadt einem einzigen Investor überlassen. Nicht daran zu denken, was passiert, wenn dieser z.B. Pleite geht.. Innenstadtentwicklung Ost baut auf einem einzigen Prinzip auf: dem Prinzip Hoffnung! Darauf, dass eine umgestaltete Innenstadt Investitionen und Kaufkraft in die Innenstadt bringt, den Verödungstendenzen und die Ausbreitung der 1Euro-Shops beendet. Faktisch lässt es sich aber leider nicht belegen, dass das Projekt tatsächlich ein Erfolg wird und den erhofften dreistelligen Millionenbetrag zurück in unsere Stadt spült. Auch in unserer Stadtkasse wird dieser Reinvest dabei kaum bemerkbar sein. Was werden Menschen, die beabsichtigen nach Pforzheim zu ziehen für ihre Entscheidung in Betracht ziehen? Mehr Attraktivität in der Innenstadt, aber dafür leider keinen Platz für die Kinder im Kindergarten?
Alles in allem eine höchst schwierige Entscheidung vor der wir hier stehen. Eine der weitreichendsten Entscheidungen für Pforzheim der letzten Jahre überhaupt. Momentan stehen wir Bündnisgrünen dem Projekt eher ablehnend gegenüber, werden uns aber je nach dem, wie die Ergebnisse der zweiten Dialogphase ausfallen, endgültig festlegen.
Es ist ja nicht so, dass in der Innenstadt in den letzten Jahren nicht investiert wurde, bzw. noch wird. Der ZOB, Il Tronco haben den nördlichen Bereich aufgewertet und die Neugestaltung der Fußgängerzone und das Haffner-Areal stehen zur Realisierung an. Das Innenentwicklung vor Außenentwicklung steht, ist uns Grünen schon immer wichtig. Daher hat sich auch an unserer Ablehnung des Gewerbegebietes „viertes Kleeblatt“ nichts geändert. Auch müssen wir dafür sorgen, dass innerhalb der Stadt ausreichend Grün- und Brachflächen vorhanden bleiben als artenreiche Refugien und um die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Deshalb fordern wir ein Konzept zum Erhalt und Entwicklung von innerstädtischen Grünflächen.
Eine für uns wichtige Aufgabe ist in diesem Zusammenhang auch der kommunale Klimaschutz. Wir wünschen uns hier, eine ausreichend finanzielle Ausstattung, denn jeder Euro, den wir hier investieren, rechnet sich doppelt und dreifach. Klimaschutz ist – und das haben inzwischen sogar die meisten Gegner anerkannt- auch ein ökonomisches Erfolgsmodell. Ich finde es regelrecht beschämend, wenn im Ausschuss in diesem Bereich über 5-stellige Beträge gerungen wird, wo doch inzwischen das durch Energiesparmaßnahmen eingesparte Potenzial in unserem Haushalt im Millionenbereich liegt.
Geld und einen Eimer mit weißer Farbe müssen wir auch in die Hand nehmen, wenn es darum geht den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsmix zu erhöhen. Hier fordern wir parallel zu den bereits begonnen Maßnahmen mit einfachsten Mitteln Lösungen zu schaffen, die das Radwegenetz in Pforzheim verbindet und das Radfahren weniger lebensgefährlich macht. Das was in anderen Städten funktioniert, wird wohl auch in Pforzheim funktionieren.
Zum Schluß möchte ich noch eine Sache erwähnen, die mich sehr nachdenklich gemacht hat: die letzte Sitzung des Gemeinderates. Weltweit geführter Krieg, Armut, Korruption, Klimawandel und völlige Perspektivlosigkeit führen dazu, dass Menschen schutzsuchend zu uns kommen. Ihnen zu helfen ist nicht nur in Hinblick auf unsere Rolle bei der Ermordung von Millionen Unschuldiger in unserer jüngeren Geschichte eine Notwendigkeit, sondern auch ein zwangsläufiger und selbstverständlicher Akt der Menschlichkeit und der damit verbundenen Werte unserer Kultur, auf die sich alle Seiten ja so gerne beziehen. Wenn ich dann in einer Sitzung zum Aufstellungsbeschluss einer kleinen 40-er Asylunterkunft mit sogenannten Wutbürgern – einer Protestform die schrecklicherweise salonfähig zu werden scheint- konfrontiert werde, die geschlossen bei dem Beitrag der AFD klatschen, dann stelle ich fassungslos fest, dass Dresden, Leibzig und Heidenau anscheinend auch in Pforzheim angekommen ist und ich schäme mich zutiefst für diesen zunehmenden Werteverfall, die Geschichtsvergessenheit und diese Respektlosigkeit in den Räumlichkeiten eines politischen und demokratisch gewählten Gremiums.
Politik ist nun mal langwieriger, kompromissorientierter Prozess, das werden wir die nächsten Tage wieder zu spüren bekommen.
Damit möchte ich meine Rede beenden und wünsche uns gute und konstruktive Beratungen.