Haushaltsrede von Stefanie am 06.12.21 zum DHH 22/23

Haushaltsrede 6.12.2021 der Gemeinderatsfraktion Bündnis90/DieGrünen
Es spricht die Fraktionsvorsitzende
Stefanie Barmeyer
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterriege,
sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
Pforzheim ist lebenswert.
Wir leben in einer der schönsten Landschaften Deutschlands. Die Lage zwischen dem Schwarzwald und Kraichgau, zwischen Stuttgart und Karlsruhe bietet uns als Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt viele Möglichkeiten. Durch die Lage an den drei Füssen Enz, Nagold und Würm ist unsere Stadt eine sehr grüne, ökologisch lebendige Stadt. Wie könnte man unsere Stadt aber noch lebenswerter machen bzw. was müssen wir tun, dass Pforzheim lebenswert bleibt?
Dies möchte ich Ihnen an vier Themenschwerpunkten zeigen.

  1. Umwelt und Verkehr
    Die Schönheit unserer Stadt erschließt sich nicht jedem und schon gar nicht jemandem, der hier nicht heimisch ist. Pforzheim wird als ein einziges Verkehrschaos empfunden. Dies fängt mit den Staus und Unfällen auf der A8 an und geht weiter bei den vielen innerstädtischen Staus.
    Wir sollten den Lärmaktionsplan so umsetzen, wie er ursprünglich gedacht war. Das heißt: flächendeckend Tempo 30. Das Flickwerk wie wir es jetzt haben dient nicht der Verkehrssicherheit, ist viel zu unübersichtlich und für die am Verkehr Teilnehmenden unverständlich. Flächendeckend Tempo 30 hat viele Vorteile:
    Die Lärmemission der Fahrzeuge bei Tempo 30 ist um ein Vielfaches geringer als bei Tempo 50. Daher ja auch der Name Lärmaktionsplan.
    Durch die gleichmäßige Geschwindigkeit kommt es zu einem gleichmäßigeren Verkehrsfluss und damit zu weniger Staus.
    Bei Tempo 30 verringert sich der Bremsweg und die Wucht bei einem Aufprall erheblich, und damit wird die Unfallgefahr und die Auswirkungen eines Unfalls erheblich verringert.
    Natürlich wären weniger Autos besser als nur langsamere Autos. Um dies zu erreichen, muss man den Rad- und Fußverkehr und den ÖPNV attraktiver gestalten.
    Wir benötigen ein funktionierendes Radwegenetz. Nur so ist eine Verkehrswende möglich. Man bekommt aber die Menschen nur aufs Fahrrad, wenn die Radwege sicher sind. So sind zwar Schutzstreifen für Radfahrende ein Anfang, an vielen Straßen reicht das aber nicht aus. Deswegen wollen wir die Mittel für den Ausbau des Radwegenetzes erhöhen.
    Fußwege müssen schöner und sicherer gestaltet werden, damit sich die Menschen gerne in unserer Stadt bewegen und sie nicht nur durchfahren. Ein schönes Beispiel für schönere Fußwege war das Projekt „Kanale Grande“ in diesem Sommer. Es zeigte, was man mit viel Engagement, gerade auch von den Anwohnenden, erreichen kann.
    Für längere Wege in der Stadt benötigen wir einen bezahlbaren, gut funktionierenden und gut getakteten ÖPNV. Die Quartiere müssen gut erreichbar werden. Die Taktung der Buslinien muss so sein, dass es bequemer ist, mit dem Bus zu fahren als das Auto zu benutzen.
    Unsere Stadt muss wieder besser erlebbar werden. Ein Ansatz dazu ist die Schließung der Zerrennerstraße für den Individualverkehr. Damit können wir die Anbindung der Flussufer erwirken. Der Waisenhausplatz mit Theater und CCP wäre dann an die Innenstadt erst wirklich angebunden. Ein Großteil der anliegenden Geschäftstreibenden haben sich dafür ausgesprochen, die Zerrennerstraße zu schließen. Also lassen Sie uns gemeinsam dieses Projekt angehen. Wir wollen Gelder für eine Machbarkeitsstudie für dieses Projekt bereitstellen.
    Eine Stadt ist dann lebenswert, wenn sie in einer intakten Umwelt eingebettet ist. Deswegen müssen wir den Flächenverbrauch reduzieren. Wir sind gegen ein Gewerbegebiet Ochsenwäldle. Wir wollen durch Nachverdichtung, Aufstocken und Restrukturierung Platz für neue Unternehmen schaffen. Dabei sollte man sehr genau betrachten, welche Unternehmen man ansiedeln will. Es sollte ein klares Konzept für
    die Flächen- und Branchenvergabe geben, damit zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen und damit die Transformation der Wirtschaft bewältigt werden kann.
  2. Wohnen und öffentliche Gebäude
    Pforzheim leidet unter einem immensen Renovierungsstau bei öffentlichen Gebäuden. Jedem bekannt ist das Bäderproblem. Leider wird es mit dem Bau des neuen Emma-Jaeger-Bades nicht besser. Wir werden dafür so viel Geld ausgeben müssen, dass wir die übrigen Bäder über kurz oder lang nicht mehr erhalten werden können.
    Aber nicht nur die Bäder, die ja eine freiwillige Aufgabe der Stadt sind, sind marode, auch die aller meisten Schulgebäude sind sehr renovierungsbedürftig. Es fehlt an Unterrichtsräumen vor allem bei den Grundschulen. An immer mehr Schulen werden deswegen Container aufgestellt, anstatt ordentliche Gebäude zu errichten. Und ich kann Ihnen als Lehrerin, die seit acht Jahren in solchen Containern unterrichtet, sagen, dass dies häufig kein Vergnügen ist. Nicht nur der bauliche Zustand der Schulen ist überwiegend schlecht, auch bei der Ausstattung lieg vieles im Argen. Nach fast zwei Jahren Pandemie wurde bezüglich der Lüftungsmöglichkeit der Klassenräume wenig verbessert. Es gibt nahezu keine Luftreiniger, selbst die 𝐶𝑂2 -Messgeräte wurden nicht so frühzeitig bestellt, dass sie nun vorhanden wären. Im Frühjahr brauchen wir sie dann nicht mehr.
    In einer lebenswerten Stadt sollte man auch gut wohnen können. Deswegen sind wir noch immer für eine angemessenen Quote für sozialen Wohnungsbau. Leider wurde ein entsprechender Antrag von einer Mehrheit des Gemeinderates abgelehnt.
    Wir wollen alternative Wohnformen entstehen lassen. So sind wir sehr erfreut über das beschlossene Wohnkonzept in der Kallhardstraße. Mit den hier entstehenden Clusterwohnungen, der Verbindung von Individual- und Gemeinschaftsräumen, wird eine für Pforzheim ganz neue Wohnkultur ermöglicht.
    Auch in dem geplanten Projekt im alten Schlachthof sehen wir großes Potential. Es könnte ein Leuchtturmprojekt werden. Das Ziel der Gewerbekultur Pforzheim e.G. ist, ein lebendiges Quartier mit gemeinschaftlichem Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur zu schaffen. Mit der Goldschmiede Schule und der FH für Gestaltung haben wir zwei international renommierte Einrichtungen für Kunst und Design. Junge Menschen
    kommen nach Pforzheim, um hier zu lernen und zu studieren. Das Projekt im alten Schlachthof könnte helfen, diese jungen Menschen in Pforzheim zu halten. Deswegen werden wir das Projekt auch weiterhin unterstützen.
  3. Soziale Gerechtigkeit
    In Pforzheim ist die Spanne zwischen arm und reich sehr ausgeprägt, was zu Konflikten führen kann. Um diesen Konflikten zu entgehen, bedarf es einigen Aufwands. So müssen wir die Integration unserer neu Zugezogenen bewältigen. Hierzu haben wir ein ausgeprägtes Unterstützungsnetzwerk. Diese Institutionen müssen auch bei schwieriger Haushaltslage unterstützt werden. Eine dieser Institutionen ist das interkulturelle Bildungszentrum für Mädchen und junge Frauen, dessen Finanzierung wir mit einem städtischen Zuschuss sichern wollen.
    Aber auch heimische Bürgerinnen und Bürger dürfen wir nicht vergessen. Auch hier gibt es Menschen in einer Notlage, die Unterstützung benötigen, sei es bei Arbeitslosigkeit, Wiedereingliederung, häusliche Gewalt, Erkrankung durch AIDS, Obdachlosigkeit und vieles mehr. Damit unsere Stadt auch für diese Menschen lebenswert bleibt, müssen wir die Institutionen und Projekte finanziell unterstützen, die Menschen in solchen Notlagen beraten und Hilfe anbieten. Ebenso ist uns eine funktionierende Inklusion wichtig. Deswegen beantragen wir zwei Stellen zur Unterstützung unseres Inklusionsbeauftragten Herrn Zakzak.
    Zum Stichwort Obdachlosigkeit lassen Sie mich noch einige Worte zur Siedlung am Eutinger Talweg sagen. Vor zehn Jahren hat der Gemeinderat beschlossen, dass diese Siedlung geschlossen werden soll. Dieser Beschluss wurde bis heute nicht umgesetzt. Im Gegenteil, es werden weiter Menschen dort neu eingewiesen. Es gibt immer noch kein Konzept, wie wir diese Siedlung auflösen können. Und nun sollen wir in der nächsten Gemeinderatssitzung einem Antrag zustimmen, der den Beschluss zur weitest gehenden Schließung der Siedlung aufheben soll und ein weiter so manifestiert. Wir wollen die Neueinweisungen in die Siedlung stoppen. Diejenigen, die gerne in der Siedlung wohnen und dort verwurzelt sind, sollen dort auch wohnen bleiben können. Für sie müssen aber die Wohnungen so ertüchtigt werden, dass ein menschenwürdiges Wohnen möglich ist.
  4. Kultur
    Natürlich ist eine Stadt dann lebenswert, wenn sie ein gutes kulturelles Angebot bieten kann. Hier möchten wir vor allem das ausgeprägte Vereinsleben der Stadt, geraden in der Zeit der Pandemie, unterstützen. Aber auch das Kulturhaus Osterfeld, das Stadttheater, das SWDKO und viele mehr dürfen nicht vergessen werden. Eine besondere Rolle hat das kommunale Kino. Mit seinem breit gefächerten Angebot ist es eine wichtige Adresse gerade auch für Schüler und Schulen. Viele der Angebote des KoKi dienen der politischen Bildung, die gerade in unserer Zeit und in unserer Stadt sehr wichtig ist. Durch die Corona-Pandemie wurde die finanzielle Lage des KoKi sehr schwierig, deswegen wollen wir den Zuschuss für das KoKi erhöhen und damit sein Überleben sichern.
    Meine Damen und Herren, wir befinden uns noch immer in einer schwierigen Lage. Wie Corona unser aller Leben auch die nächsten zwei Jahre prägen wird und wieviel finanziellen Aufwand wir haben werden, um die Folgen von Corona mildern zu können, wissen wir alle nicht. Dies macht diese Haushaltsplanungen wieder einmal sehr schwierig. Deswegen möchte ich mich bei der Verwaltung und der Kämmerei für die Erarbeitung des vorliegenden Haushaltsentwurf ausdrücklich bedanken. Dies war sicherlich kein leichtes Unterfangen.
    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit